schreibend denken und fühlend verstehen wollen


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Negativ sticht positiv – eine biologische Programmierung

Beim Erinnern bevorzugt das Gehirn negative Erlebnisse. Je schlimmer und bedrohlicher sie sind, desto tiefer prägen sie sich ein. Und nicht nur das, taucht die Erinnerung wieder auf, reaktiviert unser Gehirn alle dazugehörenden Gefühle und schwämmt damit den Körper. Es stellt damit sicher, dass wir uns vor lebensbedrohlichen Dingen fernhalten und die Auslöser auf gar keinen Fall vergessen. Das funktioniert so gut, dass manche Eltern es als effektive Erziehungsmethode schätzen. Hat man einmal gelernt, sich für etwas zu schämen, taucht das Gefühl beim bloßen Gedanken daran wieder auf.

Der Nachteil liegt auf der Hand. Gehorsame Kinder, die durch Angst und Scham zu einem angepassten Verhalten gebracht wurden, haben keinen Selbstwert. Die Werte, nach denen sie leben, sind nicht ihre eigenen. Schließlich bedeutet Selbstwert, dass der Wert aus einem selbst kommt. Man könnte sagen, diese Kinder haben Fremdwert.

Marktforscher haben herausgefunden, dass es 7 positive Nachrichten zu einem Produkt braucht, bis ein Kunde nach einer Negativaussage seine Meinung wieder ändert. Daraus kann man ableiten, dass unser Gehirn negative Ereignisse um den Faktor 7 bevorzugt. Wer das überprüfen möchte, gehe zum nächsten Zeitungsstand und beobachte mal, welches Titelblatt seine Aufmerksamkeit als erstes auf sich zieht. Auch wenn man keine Bildleserin ist, wird es wahrscheinlich das Bild der IS-Kämpfer sein, die wütend die Gewehre schütteln, oder das Bild der ausgebrannten Wohnung mit weinenden Menschen im Vordergrund. Die hübsche Zimmerdeko von „Schöner Wohnen“ nimmt man in den ersten 5 Sekunden nicht wahr. Sollten die Marktforscher Recht haben, wird es 7-mal länger dauern, bis wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten. (Ich würde behaupten, es dauert länger.)

Was hat das für Folgen auf unser Selbstbild? Braucht man ein gutes Gedächtnis, damit man mit sich selbst zufrieden ist? Ist es nicht praktischer, vergesslich zu sein, um sich an all die Fauxpas und Fehler nicht zu erinnern? Nur, wenn einem das Vergessen des Negativen gelingt, dann gelingt das Vergessen des Positiven noch viel besser.

Hier eine kleine Übung: Versuch dich an etwas zu erinnern, was du gestern getan hast und das du gut findest. Es muss nichts Großes sein. Zum Beispiel so etwas wie: „Ich habe endlich die Küche geputzt, es sieht so schön aus.“ Es gibt zwei Bedingungen für diese Übung: a) du musst das, was du getan hast, positiv bewerten und b) du musst diese Wertung auch fühlen können (die gefühlte Freude ist der Beweis, dass du deine Werte erfüllt hast und nicht die deiner Mutter).

Wem das schwer fällt, dem empfehle ich, diese Übung jeden Morgen zu machen. Schreibe in ein Tagebuch fünf positive Taten des gestrigen Tages. Sollten es am Anfang nur 1 oder 2 sein, verliere nicht den Mut. Mache weiter und überprüfen einmal, ob du den Level von dem, was du als „gut“ bezeichnen würdest, hinunterschrauben kannst, sodass es fünf Stück werden. Wenn man will, dass es eine Wirkung auf das Gehirn hat, dann sind drei Monate ein guter Zeitraum, diesem eine neue Funktionsweise beizubringen. Weniger ist natürlich auch gut. Ich habe es ungefähr ein halbes Jahr lang gemacht. Nicht nur, dass es die Meinung von mir selbst verbessert hat, sondern auch, dass mein Gedächtnis allgemein, deutlich besser geworden ist. Zufrieden beendete ich die Übung, um nach zwei Wochen wieder anzufangen – ich vermisste die angenehmen Gefühle zu sehr.

Fazit: Wenn der Focus stimmt, dann ist ein gutes Gedächtnis dem Selbstwert sehr förderlich!

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Empathie – aktiv oder passiv?

Eine meiner ersten und wichtigsten Erkenntnisse zu meinem Wunsch nach Mitgefühl war folgende: Wenn ich will, dass jemand wirklich empathisch mit mir ist, dann muss ich mich zeigen. Tue ich das nicht, bleibt mein Wunsch unerfüllt. Dies erfordert, dass ich aktiv werde. Diese Aktivität steht im Widerspruch zu der Bezeichnung „Empathie bekommen“.

„Empathie bekommen“ suggeriert eine Passivität, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Es ist eher mit Hingabe zu vergleichen. Auch hier tendieren die meisten Menschen dazu, diese Haltung als passiv zu deklarieren, aber schon das Wort sagt das Gegenteil. Ich gebe mich hin. D.h. ich bin aktiv, sonst gibt es keine Hingabe. Mit dem „Empathie bekommen“ ist es das Gleiche. Die Frage: „Möchtest du Empathie bekommen?“ wäre genauer formuliert mit: „Bist du bereit, dich der Empathie hinzugeben?“ Sofort wird spürbar, was es hier braucht. Nämlich eine gehörige Portion Mut, sich zu öffnen und sich mit seinen Schmerzen, Problemen und Urteilen zu zeigen. Das tut man nur, wenn man das Setting als geschützten Raum erlebt und den beteiligten Menschen vertraut. Und beides kann z.B. in einem GFK-Kurs durch die Vereinbarung entstehen, mit dem Herzen und nicht mit dem Kopf zuzuhören.

Es wird ebenfalls durch den Grundsatz der GFK leichter, der da heißt: Man diskutiert nicht über die Berechtigung von Gefühlen! Jeder weiß selbst am besten, was er fühlt und was er braucht. Leider ist das in der GFK-fremden Welt selten so. Da hört man Sätze wie: „Wie, du bist traurig? Du hast doch überhaupt keinen Grund traurig zu sein, also wenn du ärgerlich wärst, das könnte ich verstehen….“ Es herrscht die weit verbreitete Vorstellung, dass nur, wer das gleiche fühlt, einen versteht und ein Freund ist. Oder dass es so etwas wie richtige oder falsche Gefühle gebe. Doch wir Menschen fühlen alle unterschiedlich und zum Glück können wir die Gefühle unserer Mitmenschen unabhängig von unseren eigenen wahrnehmen. Mir kann es sehr gut gehe, und ich kann trotzdem deine Traurigkeit spüren. Deswegen muss es mir nicht schlecht gehen. Ich bin froh und du bist traurig, und ich sitze hier bei dir und spüre deine Traurigkeit. (Klingt einfach, ist es nicht).

Diese Form des Mitfühlens wird leichter, wenn man sich bewusst macht, dass Mitfühlen nicht das Gleiche ist wie Verstehen. Ich brauche nicht zu verstehen, warum du traurig bist, um zu spüren, dass du traurig bist. Um das wahrzunehmen, reicht es, wenn ich meine Gefühle beiseite stelle und mich deinen öffne.

Mitfühlen heißt auch nicht, dass ich alles gutheiße, was du denkst oder tust. Ich fühle, dass du traurig bist, weil dir die Verbindung (zu einem bestimmten Menschen) so wichtig ist, und lasse meine Gedanken, dass ich zwischen euch noch nie Verbindung wahrnehmen konnte, beiseite. Sprich, ich diskutiere mit dir auch nicht, ob dein Bedürfnis nach Verbindung gerechtfertigt ist. Mit dem Herzen zuhören heißt, meine Meinung außen vor lassen.

Es gibt nur eine Person, die sagen kann, was du fühlst und was du brauchst… und das bist du! Und die Kunst für dich besteht darin zu lernen, dich beim „Empathie bekommen“ darin, dir selbst zu trauen und dich nicht zu rechtfertigen. Es reicht zu sagen: „Nein, das passt nicht“ und dann zu deiner Wahrnehmung zurückzukehren. Das ist dein aktiver Teil beim „Empathie bekommen“. Du hörst etwas und überprüfst es mit deinem Gefühl. Wenn es stimmt, nimmst du es an, wenn nicht, dann lässt du es gehen.

Diskussionen um die Berechtigung unserer eigenen Wahrnehmung ermüden unheimlich und führen zu nichts. Und es braucht Übung, diesen weitverbreiteten Impuls zu lassen.

Für echtes Mitgefühl braucht man nicht zwingend die GFK (auch wenn Empathie für mich dadurch viel angenehmer wird). Alles, was es dafür braucht, sind zwei Menschen, die sich als Menschen begegnen. Einer, der sich zeigt, und der andere, der zuhört und bereit ist mitzufühlen, ohne darin zu versinken, Lösungsvorschläge anzubieten oder eigenes beizumischen. Einfach da sein. Das ist alles. Und das ist verdammt viel!


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Definition „Empathie bekommen“ bzw. Anliegenarbeit

„Empathie bekommen“ ist in der GFK-Szene ein gängiges Setting, in der eine Person von ihrem Problem spricht und 1-7 Personen ihr von Herzen zuhören. Dabei äußern die „Empathie-Geber“ hin und wieder Gefühle und Bedürfnisse, die sie beim Sprechenden vermuten. Der Sprecher entscheidet, ob diese Angebote für ihn richtig sind.

Aktuelle Forschungen belegen, dass wir Menschen ungefähr mit 30% unserer empathischen Schätzungen richtig liegen. Das heißt für so ein Empathie-Setting, dass 70% der Vorschläge falsch sind. Es ist wichtig zu wissen, dass sie trotzdem beim Klärungsprozess helfen. Beispiel: „Nee, das ist es nicht. Es ist eher….“


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Den Mut zu haben, an die eigene Bedeutung zu glauben

Ich hoffe, mit diesem Gedicht dich an deine Bedeutung (für andere und die Welt) zu erinnern. Es hilft mir sehr, wenn mich Zweifel überkommen, ob das, was ich tue, richtig ist. Oder wenn ich mir unwichtig und bedeutungslos vorkomme. (Die deutsche Übersetzung findest du weiter unten).

Risking My Significance

(von Dawna Markova)

I will not die an unlived life.

I will not live in fear

of falling or catching fire.

I choose to inhabit my days,

to allow my living to open me,

to make me less afraid,

more accessible,

to loosen my heart

until it becomes a wing,

a torch, a promise.

I choose to risk my significance;

to live so that which came to me as a seed

goes to the next as a blossom

and that which came to me as a blossom,

goes on as a fruit.

Bedeutung riskieren

Ich werde kein ungelebtes Leben sterben.

Ich will keine Angst haben,

mich fallen zu lassen oder Feuer zu fangen.

Ich will meine Lebens-Tage bewohnen.

Mein Leben darf mich öffnen.

Ich darf weniger ängstlich werden, zugänglicher

für meine Mitmenschen.

Ich lockere den Griff um mein Herz bis es ein Flügel, eine Fackel oder ein Versprechen wird.

Ich entscheide mich, das Risiko einzugehen, Bedeutung in dieser Welt zu haben.

Ich will so leben, dass das, was als Samen zu mir kommt, ich weitergebe als Blume, und dass, was als Blume zu mir kommt, ich weiterreiche als Frucht.


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Lässig im Jetzt – Hilfsmittel der Meditation

Wir denken die Zukunft, wir denken die Vergangenheit, wir sind jetzt.

Verliere ich mich beim Meditieren in meinen Sorgen und Wünschen, dann bin ich nicht im Jetzt. Ich kann mir also bewusst machen, dass es jetzt nichts zu wünschen oder zu sorgen gibt, (ich sitze ja hier auf meinem Meditationskissen und alles ist gut). Selbst wenn ich mir darüber Sorgen mache, dass ich nicht meditiere, dann bin ich nicht im Jetzt. Ich vergleiche zum Beispiel die jetzige Meditation mit der letzten (Vergangenheit). Oder ich sage mir: „Ich muss mich konzentrieren, damit der meditative Zustand sich einstellt (Zukunft)!“ Doch Meditation ist jetzt!

Deshalb die Frage: „Wo kann ich diese Gedanken jetzt spüren?“

In meiner Anfängerzeit war der Ort meiner Gedanke gar nicht mein Körper, sondern irgendwo rechts über meinem Kopf. Ich hatte keine Verbindung zu meinem Körper. Doch um im Jetzt zu sein, brauchen wir unseren Körper. Fühlen, hören, sehen und riechen können wir nur jetzt.

„Was fühle ich (in meinem Körper), wenn ich das denke?“

Folge ich dieser Frage, dann habe ich schon mehrfach festgestellt, dass das, was sich in Gedanken noch so lebendig und wichtig anfühlte, im Körper hart, taub oder gefühllos ist. Selbst das Brennen oder Wollen ist dann nicht mehr zu spüren. Diese Beobachtung stellt die gedachte Wichtigkeit meiner Gedanken (vor allem meiner Tagträume) sehr in Frage. Sie macht deutlich, dass Lebendigkeit im Kopf eine Illusion ist, die ich selbst erzeuge. Mir das bewusst zu machen, ist schmerzhaft und alles wehrt sich dagegen. „Fantasieren fühlt sich so gut an.“ Nur eins lässt sich zweifelsfrei sagen, hafte ich an Vergangenem oder Zukünftigem, egal wie nah die Vergangenheit oder Zukunft ist, ist das keine Meditation. – Meditation ist loslassen und sich so akzeptieren, wie man jetzt ist. Immer wieder.


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Umgang mit Ärger in der Meditation

Wut genießt in spirituellen Kreisen mitunter keine Beliebtheit. Manchmal wird ihr sogar die Echtheit eines authentischen Gefühls abgesprochen.

Richtig ist, dass Wut (die auf Handlung im außen orientiert ist) es einem unglaublich schwer macht, die Konzentration nach innen zu lenken. Auch dass Wut destruktive Formen annehmen kann, lässt sich nicht leugnen. Doch um unsere Lebendigkeit und Handlungsfähigkeit zu erhalten und um Klarheit in unser soziales Leben zu bringen, halte ich es für sinnvoll, einen anderen Weg mit diesem Gefühl zu suchen, statt es „weg zu meditieren“. (Siehe auch: „Wann ist Wut gut?“)

Wollen wir meditieren, obwohl wir wütend sind, kann die GFK weiterhelfen. Marshall Rosenberg glaubt genau wie Amana Virani, dass Wut aus Urteilen entsteht, und bezeichnet sie deshalb als Sekundärgefühl. Für ihn gibt es zwei Sekundärgefühle, nämlich Scham und Wut (im Gegensatz zu Virani, die sie „reine Gefühle“ nennt und Freude, Angst und Trauer ebenfalls auf Urteile zurückführt).

Geht man bei nicht enden wollender Wut durch den GFK-Prozess (Wolfsshow; weitere Gefühle benennen, die hinter der Wut stehen; Bedürfnisse suchen, die unerfüllt sind), dann wird man mit dem Benennen der Bedürfnisse eine Erleichterung wahrnehmen können, die es erlaubt, in eine meditative Haltung zu gelangen.

Beispiel: Mit GFK zur inneren Ruhe

Wenn ich versuche zu meditieren, ich aber noch wütend bin, weil meine Mitbewohnerin mir bewiesen hat, dass ich von ihrem Öl genommen habe, und ich das falsch finde, weil sie auch von meinem Kaffee nimmt, dann kann ich mich endlos in Gedanken aufreiben, dass ich das unfair finde und sie eine dumme, kleinkarierte Kuh ist. Erkenne ich aber, dass für mich der Austausch von Lebensmitteln eine soziale Komponente hat und dass ich mir Verbindung wünsche, dann kann ich in dem Wunsch nach Verbindung inneren Frieden finden (und im Anschluss in ein konstruktives Gespräch gehen). Die Intensität der Wut ist dann Ausdruck der Bedeutung, die dieses Bedürfnis für mich hat. Ich nehme einfach diesen Wert an sich und seine Bedeutung für mich wahr. Im Benennen von Gefühlen und Bedürfnissen begegne ich mir selbst mitfühlend, was sowohl zur GFK als auch zur meditativen Haltung gehört.


Ein Kommentar

Wann ist Wut gut?

Nach Amana Virani entsteht Wut in Situationen, die wir als „falsch“ beurteilen. Durch das Urteil positionieren wir uns und durch die Wut entwickeln wir die Energie, die wir benötigen, um daran etwas zu ändern. Wut ist dann das passende Gefühl, wenn wir etwas nicht akzeptieren und etwas ändern können. Die Aufgabe, die hinter der Wut steht, ist also zu handeln. Jetzt und resolut!

Wut ist dann gut, wenn die Situation wirklich von mir veränderbar ist. Kann ich nichts ändern, wird sie meistens destruktiv, mir selbst oder anderen gegenüber. (Wenn ich sage, Wut ist gut, dann spreche ich von dem Gefühl und schließe Handlungen wie Schlagen oder Beschimpfen aus).

Nun kommt es vor, dass bestimmte Gefühle wie Wut in manchen Familien nicht toleriert werden. Wenn das der Fall ist, erzeugen wir andere Gefühle, die etwas akzeptierter sind, aber leider falsche Energien erzeugen.

Hier ein Beispiel für verschobene Wut, die in unpassende Traurigkeit geändert wurde:

Wenn ich in meiner Herkunftsfamilie gelernt habe, dass ich ignoriert werde, wenn ich wütend bin, kann es sein, dass ich alternativ traurig (oder ängstlich oder freudig…) werde, einfach, weil das ein Gefühl ist, das mir Zuwendung sichert. Zudem kann ich mit Traurigkeit etwas Einfluss auf die Situation nehmen, indem ich meine Mitmenschen dazu bringe, aus Mitleid etwas zu ändern. Das Tragische daran ist, dass mir in der Folge die Kraft hinter der Wut, nämlich Klarheit, nicht zur Verfügung steht. Bei richtig eingesetzter Wut weiß hinterher jeder, woran er/sie ist. Bin ich stattdessen traurig, weiß niemand, woran er ist, ich am allerwenigsten. Die Situation bleibt unklar und die Beteiligten erleben den Gefühlsausdruck als unpassend oder manipulierend.


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„Wie geht es dir?“ – warum fragen wir das?

„Wie geht es dir?“, ist die Frage nach den Gefühlen. Viele halten sie für belanglos, aber ist sie das auch? Warum fragen wir dann jedes Mal wieder, statt sie wegzulassen, und das, obwohl viele Menschen denken, dass die Antwort doch nicht interessiert?

Neben der Funktion, ein angenehmes Gesprächsklima herzustellen und Interesse zu bekunden, ist die Frage auch inhaltlich für uns überaus wichtig. Das kann man daran erkennen, dass wir unser Verhalten entscheidend davon abhängig machen, wie unser Gegenüber (gefühlsmäßig) drauf ist. Zum Beispiel: Sprechen wir ein schwieriges Thema an oder lassen wir es. Erzählen wir einen Witz oder lieber nicht. Wenn wir nur die Standartantwort erhalten: „Danke, gut!“, dann suchen wir in der Körpersprache unseres Gesprächspartners nach Bestätigung oder Gegenanzeichen. Stimmen Worte und Körpersprache nicht überein, kann sich das negativ auf das Gesprächsklima und den Kontakt auswirken. Doch die Irritation oder das Misstrauen wirkt meistens unbewusst.

Bei der Frage: „Wie geht es dir?“ gilt es auch den sozialen Kontext zu berücksichtigen. D.h. in einem Arbeitskontext interessiert sich mein Chef zu recht nicht dafür, dass ich verliebt bin und überglücklich. Meinen Stress (Gefühl) auf der Arbeit wird ihn dagegen interessieren. Wenn ich so unzufrieden bin, dass ich bald kündige (Strategie, um mein Bedürfnis nach Schutz zu erfüllen), ist die Antwort: „Danke gut!“ auch für ihn schädlich.

Dass das Äußeren von negativen Gefühlen trotzdem nicht populär ist, liegt in unserer Gehirnstruktur begründet. Da gilt das einfache Muster: „Negatives vermeiden“ (und bei Positivem „mehr davon“). Deshalb kann der Mut, Unangenehmes anzusprechen (und zu fühlen), nicht hoch genug geschätzt werden.

Und spätestens jetzt ist es im Gespräch wichtig, Fakten und Gefühle zu benennen und Ziele in Form von Motivationen deutlich zu machen, um dann auf Strategiesuche zu gehen.


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Das Urteil im menschlichen Gehirn

Die wichtigste Unterscheidung, die wir in der Evolutionsgeschichte treffen mussten, war: Freund oder Feind, gut oder böse. Wenn unsere Vorfahren diese Unterscheidung nicht treffsicher durchführen konnten, dann waren sie nicht unsere Vorfahren. Ein gutes Urteilsvermögen ist bis heute überlebensnotwendig.

Deshalb bewertet unser Gehirn ständig. Wir tun das mit unseren Gedanken („So ein Idiot!“) und Gefühle (z.B. Angst oder Freude). Und in Form von Gefühlen können wir unsere Beurteilung der Situation äußern, ohne andere in Schubladen zu packen (siehe auch Schritt 2 der GFK). Beim Äußern von Gedanken klappt das seltener.

Doch leider schießen wir beim Beurteilen meistens über unser Ziel hinaus. Es reicht zum Überleben, wenn unser Urteil ungefähr richtig ist (im Zweifel für die Gefahr oder gegen den Angeklagten). Doch auch eine Bemerkung, wie: „Was hast du da denn für einen Scheiß abgeliefert?“ (ein Urteil, keine Beobachtung) aktiviert unser Alarmsystem (Flight-and-Fight-System oder Kampf- und Fluchtsystem). Die Chefin direkt anzugreifen, wäre keine adäquate Reaktion, und so ist es für uns wichtig (heute mehr als früher), die Impulse unseres Kampf- oder Flucht-Systems zu überprüfen und zu kontrollieren. Es braucht einfach Zeit, um eine angemessene Antwort zu finden. Besonders wenn eine Antwort unsere Bedürfnisse (z.B. Wertschätzung, Fairness) und die der Chefin (z.B. Zuverlässigkeit, Unterstützung) gleichermaßen berücksichtigen will.

Die Zuständigkeit im Gehirn sieht wie folgt aus: Für die erste Bewertung („So redest du nicht mit mir!!!) und die körperliche Reaktion darauf (Schweißausbrüche, Herzbeschleunigung, trockener Mund etc.) sind im Gehirn die Mandelkerne (Amygdala) zuständig, für das Stoppen und Überdenken der ersten Impulse der Präfrontale Cortex (hinter der Stirn beheimatet). Dieser ist der neuste Teil der Großhirnrinde und greift bei seinen Entscheidungen sowohl auf rationale Fakten als auch Emotionen zurück. Welcher Teil des Gehirns antwortet, lässt sich auch an der Reaktionszeit festmachen. Bei reflexartiger Antwort waren es die Mandelkerne. Braucht es länger, dann war mit großer Wahrscheinlichkeit der Präfrontalen Cortex involviert. Doch das gilt nicht immer. Erstarren ist ebenfalls eine Reaktion des Kampf- und Fluchtsystems. Und bis die sich wieder löst, vergeht einiges an Zeit. Die ersten Reaktionen danach kommen nicht vom Präfrontalen Cortex. Dieser verabschiedet sich beim Erstarren völlig und ist danach nur schwer wieder zu aktivieren.


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Focusing, Tür zur Innenwelt des Fühlens

Aus einem Gefühl von Wärme und Frieden heraus, (ich habe gerade die 2. Runde Focusing hinter mir), möchte ich dir diese Methode (nach Eugene Gendlin) wärmstens empfehlen. Ich habe sie als Anleitung auf mp3 gesprochen und du kannst sie dir auf meiner Homepage anhören oder kopieren. Wenn du sie weitergibst, bitte ich dich, auf meine Homepage www.tiefenkontakt.de zu verweisen, das würde mir Respekt gegenüber meiner Arbeit bedeuten. Danke!

Meine Informationen habe ich von der Seite: focusing.org

Focusing ist eine Methode, mit der man nach Innen spürt und ganz bewusst seine Gefühle wahrnimmt, um sie anzunehmen und die tiefere Bedeutung zu verstehen.

Focusing wurde von Eugene Gendlin entwickelt, der erforschte, warum manche Patienten in der Psychotherapie  große Fortschritte machen und andere nicht. Und der entscheidende Unterschied zwischen beiden Gruppen ist, dass die “erfolgreichen” Patienten während der Therapie genau das machen, was man heute Focusing nennt – nach innen Spüren – nach Worten suchen – prüfen, ob die Worte das Gefühl treffen – wieder nach innen spüren…

Zum besseren Verständnis hier die Schritte des Focusing, die ich für entscheidend halte:

  • Raum schaffen
  • Thema wählen
  • Thema fühlen
  • Gefühl benennen / beschreiben
  • Beschreibung und Gefühl abgleichen
  • Erleichterung / Loslassen
  • Feiern

Focusing und GFK

Genau wie die GFK, geht der Ansatz des Focusing davon aus, dass Gefühle im Körper beheimatet sind und wir nur fühlen können, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf unseren Körper lenken. Im Grunde könnte man Focusing als intensiven Schritt 2 der GFK verstehen. Dabei verzichtet Focusing komplett auf rationale Kompetenzen, die in der GFK hingegen trainiert werden. Fähigkeiten wie Fakten von Urteilen oder Gefühle von Gedanken unterscheiden zu können, machen Sinn, wenn die Reaktion meiner Mitmenschen auf meine Worte wichtig ist. Und gleichzeitig ist sie den meisten Menschen ungewohnt und erfordert am Anfang ein Herangehen über den Kopf. Da Focusing keine Kommunikationsmethode ist, kann es darauf verzichten. Zwar suchen wir im Focusing auch nach den „richtigen“ Worten, was aber „richtige“ Worte sind, entscheidet im Focusing der Körper. Dies tut er über ein inneres Loslassen oder Entspannen (auch Shift genannt), wenn er die Beschreibung des Gefühls hört. (Tatsächlich suchen wir auch nach einem Shift, wenn wir die Gefühleliste der GFK durchgehen).

Den Kopf beim Fühlen außen vor zu lassen, ist durchaus im Sinne der GFK, weswegen ich Focusing als hilfreiche Ergänzung und Übung zum Thema Fühlen / Gefühle sehe.

Schwierigkeiten bereitet das Focusing vor allem den Menschen, denen das gefühlsmäßige Herangehen an Probleme eher fremd ist. Aber gerade da kann es hilfreich sein. Wenn das gedankliche Lösung-suchen sich verselbstständigt hat und die Schlaf- oder Rastlosigkeit einen auslaugt, braucht es nicht noch mehr Denken. Wer diese Problematik kennt, dem kann eine Runde Focusing vor dem Schlafengehen mehr Ruhe und Frieden verschaffen.

Focusing und Meditation

Auch nutze ich den Schritt: „Raumschaffen“ aus dem Focusing gerne als Vorbereitung zur Meditation. Gerade an Tagen, an denen die Gedanken so im Kopf schwirren, dass an ein „inneres Still-werden“ überhaupt nicht zu denken ist, ist Focusing eine hervorragende Eingangsübung. Beim Raumschaffen lassen wir, genau wie in der Meditation, alles so, wie es ist, und nutzen die folgenden Phänomene:

1. Alles, was da sein darf, geht auch leichter wieder (besonders Gefühle und Gedanken).

2. Durch das Raumschaffen mache ich mir ganz nebenbei folgendes bewusst: „Ich kann mein Problem und die damit verbundenen Gefühle betrachten. Das heißt, ich bin ≠ dieses Problem (Meditationsmethode). Nicht nur beobachte ich das Problem mit Distanz, sondern weise ihm auch eine Platz außerhalb von mir selbst zu.

Tatsächlich kann im Focusing Meditation (=Präsenz / Selbst-Bewusstsein) entstehen. Wenn ich die Themen in mir begrüße und ihnen einen Platz außerhalb von mir zuweise, dann entsteht – Stille.