Mir ist nicht klar, was mir die Nachrichten rund um den Corona-Virus bringen sollen, also vermeide ich sie, so gut es geht, keine Zeitung, keine Nachrichten. Aber es gelingt mir nicht. Beim Einkaufen an der Kasse streift mein Blick die Tageszeitungen „Zwei Todesfälle in Hamburg“. Mein Adrenalinpegel schnellt nach oben. Ein Freund schickt mir ungefragt einen Link zum Virus. Der Hausmeister verweigert mir den Händedruck. Ein anderer Freund teilt seine fatalistische Meinung: „Viren sind wichtig! Viren sind dafür da, explodierende Bevölkerungszahlen zu regulieren.“ Aha!
Ich glaube nicht, dass der Corona-Virus die Bevölkerungszahlen kontrolliert, aber dass die Medien unsere Köpfe kontrollieren, halte ich schon für wahrscheinlicher. Da muss noch nicht mal Absicht dahinterstehen.
Auf dem Kongress „Angstfrei“ hat der Schweizer Friedensforscher Daniel Ganser über die Wirkung von Medien und Angst berichtet. Darin betont er, dass unser Gehirn die Bedeutung von Nachrichten an der Häufigkeit festmacht, mit der wir sie hören, nicht an der Wahrscheinlichkeit, mit der sie uns treffen. Bei dieser Häufigkeit ist es völlig egal, ob die Nachricht als Vermutung, als Tatsache oder als „noch zu prüfen“ formuliert wurde, Hauptsache, das passende Schlagwort kommt darin vor. Das wissend frage ich mich gerade, ob es gut ist, mit meinem Blog noch eine Nachricht ins Internet zu werfen. Schließlich bin ich jetzt Teil des Medienhypes.
Das, was unser Hirn mit der Nachrichtenfrequenz und der Einschätzung der Situation macht, nennt man „kognitive Verzerrung“. Der Sozialforscher Daniel Kahneman hat sie an sich selbst, an Probanden und seinen wissenschaftlichen Kollegen getestet. Ergebnis: auch Fachleute gehen der „kognitive Verzerrung“ auf den Leim. Es gibt aber einen Trick, den auch wir anwenden können. Nämlich: Wir wissen, dass unser Hirn diesen Fehler macht und können das bewusst hinterfragen.
Wie oft hast du in letzter Zeit von Corona gehört. Und für wie gefährlich schätzt du den Virus ein? Passt das zur statistischen Wahrscheinlichkeit?
In diesem Zusammenhang versteht man die Buddhistische Weisheit besser: Glaube nicht alles, was du denkst! Die Buddhisten scheinen die „kognitive Verzerrung“ schon lange vor den Sozialwissenschaftlern verstanden zu haben.
Und in Zeiten wie heute ist es gut, ein paar Tricks auf Lager zu haben, falls man mit negativen Nachrichten bombardiert wird oder am Bildzeitungsständer vorbeikommt.
- Überprüfe deine Annahmen.
Gesagt getan: Ich google „Zwei Tote in Hamburg“ und stelle fest, den Titel gibt es nicht. Die letzte Nachricht von zwei Toten stammt vom November 2019. Unglaublich, was mein Hirn daraus gemacht hat. Die journalistische Pflicht, Nachrichten zu überprüfen, scheint etwas wert zu sein. Trotzdem hat mir der zweite Tipp zum Umgang mit Angst geholfen. Genau genommen hat er es erst möglich gemacht, dass ich die Nachrichten heute überprüfe.
- Wenn du Angst hast, atme tief und bewusst. Nicht nur Luft holen, sondern dem gesamten Atemfluss folgen. Einatmen, die Luft strömt durch die Nase ein, ausatmen, der Brustkorb senkt sich.
Mach das ein paar Mal, und dann schau, was aus deiner Angst geworden ist. Meine ist weg.
Und ein Mann aus Sri Lanka, der geduldig nach einem Tsunami sein Haus wieder aufbaut, sagt etwas zu dem ICH, das da Angst hat. „Wer bin ich, dass ich mich selbst, mein Leben und Leid so wichtig nähme? Ich tue, was ich tun muss. Haus bauen, Familie versorgen…“
Guter Vorschlag! Lasst uns tun, was wir tun müssen.
Atmen, Nachrichten überprüfen, arbeiten, Freunde sehen.