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Die Stellschrauben am Selbstvertrauen – Teil 4

Ein Kommentar

(Können, Erfahrung, Erwartung und Vertrauen.)

Vertrauen hat etwas Warmes, Wertschätzendes. Ganz im Gegensatz zur Erwartung (siehe Teil 3) ist Vertrauen offen für das, was kommen mag. Während die Erwartung so tut, als gäbe es nur eine Möglichkeit gibt Vertrauen Raum für den individuellen Weg. Es bildet die Grundlage, mit sich und dem Leben in Frieden zu sein.

Doch was ist Vertrauen? Es ist der Glaube, dass etwas grundsätzlich „Positives“ eintreten wird, ohne die Sicherheit dafür zu haben (wobei „positiv“ sehr allgemein zu verstehen ist). Anderen Menschen vertrauen bedeutet, an ihre gute Absicht und ihr Potential zu glauben und dass sie mich als Mensch in ihre Überlegungen miteinbeziehen. Das Gleiche gilt für mich selbst. Im Selbstvertrauen glaube ich an meine guten Absichten und mein Potential. Das heißt, ich glaube daran, dass ich etwas (erfolgreich) tun kann. Doch auch in der negativen Erfahrung wie Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Tod kann ich Vertrauen haben. Ich kann darauf vertrauen, dass die Erfahrung für etwas gut ist. Der Grund muss sich mir nicht erschließen. Vertrauen ist der Glaube, dass meine Fehler für etwas gut sind, dass meine Erfahrungen für etwas gut sind und dass ich für etwas gut bin. Es heißt nicht zu wissen wofür, sondern nur, dass… Wenn man die Wertung, die in „gut“ steckt, beiseitelassen möchte, dann könnte man sagen: Vertrauen heißt „ja“ zum Leben sagen, so wie es ist.

Und nachdem ich so oft das Wort „Glauben“ verwendet habe, wird mir klarer, warum Vertrauen den Menschen leichter fällt, die einem religiösen Glauben anhängen oder in der Esoterik zu Hause sind. Wenn da eine höhere Instanz ist, von der man glauben kann, dass zumindest sie weiß, wozu etwas gut ist, dann fällt Vertrauen leichter. Doch es gäbe keine Glaubenskrisen, wenn das immer so einfach wäre.

Rationalen Menschen scheint der Glaube, dass alles schon seinen Sinn hat, oft naiv. Wenn mein Vertrauen gerade wieder einen Wachstumsschub hatte, dann beschleicht mich manchmal die Angst, dass mit steigendem Vertrauen meine Motivation schwindet, das Leben zu verändern. Was ist, wenn ich glaube, dass ich in Ordnung bin, wie ich bin? Höre ich dann auf mich weiterentwickeln zu wollen? Was, wenn ich glaube, dass ich schon meinen Weg gehen werde? Höre ich dann auf mich zu bemühen? Habe ich dann noch Ziele? Mit sich selbst unzufrieden zu sein, ist ein riesen Antriebsmotor. Er hält uns auf Trab. Kann es sein, dass es in unserer Gesellschaft eine sehr große Angst gibt „zur Ruhe zu kommen“? Wer unglaublich viel will, tut oder ständig an sich selbst arbeitet, der muss wichtig sein. Das ist auch eine Frage des Dazugehörens. Und wer zur Ruhe kommt, ist irgendwie – draußen. Er ist nicht mehr im Hamsterrad – wie alle anderen. Er sitzt vor seinem Hamsterrad und schaut den anderen erstaunt bei ihrem Run (auf was?) zu. Der Kampf mit den Widrigkeiten des Lebens ist hierzulande sehr geschätzt. Doch zufrieden macht er nicht. Schließlich legen wir die Messlatte mit jedem Entwicklungsschritt höher.

Das ist ein typisches Zeichen von Perfektionismus. Perfektionismus ist der Versuch alles bis ins letzte Detail kontrollieren zu wollen. Das ist das Gegenteil von Vertrauen. Vertrauen weiß, dass man nicht alles kontrollieren kann, und lässt es. Brené Brown schreibt in ihrem Buch „Verletzlichkeit macht stark“, dass wir den Perfektionismus nicht mit dem Wunsch, Gutes leisten zu wollen, verwechseln dürfen. Der Perfektionismus ist nach außen orientiert. Was denken die anderen? Was wollen die von mir? Bin ich gut genug? Wenn ich so denke, bin ich nicht im Vertrauen an mich und meinen Wert. Der Wunsch, Gutes leisten zu wollen, ist etwas anderes. Er ist von innen motiviert. Seine Sache so gut wie möglich machen zu wollen, ist an sich befriedigend. Tatsächlich finde ich die Unterscheidung, ob ich intrinsisch oder extrinsisch motiviert bin, nicht immer einfach. Am besten kann ich ihn fühlen. Fühle ich mich getrieben, dann jage ich einem Wunsch im Außen nach. Fällt es mir hingegen leicht, eine Aufgabe konzentriert zu erledigen, dann bin ich von innen motiviert.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass mich Vertrauen unabhängiger von der Meinung anderer Menschen macht. Und die Angst, dass die Motivation sich verändert, ist berechtigt. Zwar habe ich noch Ziele. Doch die Ziele haben sich verändert. Den größten Stellenwert nimmt jetzt mein Wunsch ein, in Frieden mit mir und meinen Werten zu leben. Das wirkt sich auf andere Ziele aus. Den Komfort von einem regelmäßigen Einkommen sehe ich noch immer, aber ich will ihn nicht mehr um jeden Preis. Ich wünsche mir immer noch Anerkennung für meine Workshops in Form von Teilnehmerzahlen und Honorar, aber nicht mehr um jeden Preis. Und ich verfolge noch berufliche und private Ziele, aber eilig habe ich es nicht mehr.

Es ist ruhig geworden.

Das heißt nicht, dass die persönlichen Krisen verschwunden sind. Sie erfassen mich schnell und heftig, wie eine Welle, die über mir zusammenschlägt, und dann werde ich genauso schnell wieder ausgespukt – wie Jonas aus dem Wal. Dann schüttele ich mich, schau mich um und denke: „Was war das?“

Das Leben ist spannend!

Im Vertrauen, dass es so richtig ist, wünsche ich dir in deinem Lebensstrom viel Spaß in den Stromschnellen.

Autor: Regine

GFK-Trainerin und vieles mehr.

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