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Die Stellschrauben am Selbstvertrauen – Teil 2

Ein Kommentar

(Können, Erfahrung, Erwartung und Vertrauen.)

Erfahrung

Nachdem ich im ersten Teil darüber geschrieben habe, wie Können das Selbstvertrauen beeinflusst, möchte ich heute erforschen, wie Erfahrung darauf wirkt.

Erfahrung und Selbstvertrauen haben ein interessantes Verhältnis zueinander. Immer dann, wenn ein neuer Lebensabschnitt ansteht und man folglich keine Erfahrungen auf dem Gebiet hat, sieht man sich auf sein Selbstvertrauen zurückgeworfen. Zum Beispiel war es für mich nach dem Studium eine Qual (wegen ständiger Selbstzweifel) Bewerbungen zu schreiben und Vorstellungsgespräche zu führen. Einmal musste ich in einem Vorstellungsgespräch bei der Frage passen, ob ich mehrere Aufgaben gleichzeitig im Blick behalten könne. Ich wusste es nicht und blieb die Antwort schuldig. In den folgenden Jahren wurde mir klar, dass ich diese Frage mit einem beherzten „Ja“ hätte beantworten können. Heute stecke ich wieder in einer Bewerbungsphase und ich antworte mit mehr Selbstvertrauen, wenn es um Fragen nach Fähigkeiten oder Erfahrungen geht, die ich noch nicht gemacht habe.

Unser Selbstvertrauen nimmt mit steigendem Alter zu, das heißt mit zunehmender Erfahrung. Doch das Gegenteil kann auch passieren. Frauen, die längere Zeit wegen der Kinder zu Hause blieben, erleben sich als viel unsicherer im Beruf, als sie es zuvor waren. Ihnen fehlt die Erfahrung. Im zwischenmenschlichen Bereich ist es genauso. Wie unsicher ist man mit dem ersten Kind. Und um wie viel gelassener beim Dritten? Und mit dem Nachzügler kann es sich anfühlen, als würde man wieder von vorne anfangen.

Der Unterschied zwischen Beruf und Familie ist vielleicht der, dass zum Beruf eine Phase des Lernens gehört (Studium, Ausbildung). Junge Eltern dagegen sehen sich mitunter sehr unvorbereitet der Aufgabe gegenüber, ein Baby zu versorgen. Doch genau dieses Reingestoßen-Sein ist ein Vorteil. Man muss es tun, man kann nicht mehr darüber nachdenken, ob man es kann oder nicht oder ob man es sich zutraut. Denn genau dieses Warten auf innere Sicherheit ist der Erfahrungskiller Nr. 1 und schadet damit genau dem, worauf man wartet, dem Selbstvertrauen. Was dabei unberücksichtigt bleibt, ist die Tatsache, dass Können oder genauer gesagt Wissen nur einen Teil der Kompetenz ausmacht. Die Praxis ist meist viel komplexer und kann eigentlich nur im täglichen Leben geübt werden. Und das, was man am meisten üben muss, ist mit „Niederlagen und Absagen umgehen“, Ziele korrigieren und weitermachen, obwohl man gerade nicht weiß, wo es hingeht. Alles Dinge, die wir nicht mit Selbstvertrauen in Verbindung bringen. Und trotzdem wächst es daran!

Doch warum ist Selbstvertrauen begrenzt? Lehne ich zum Beispiel eine Aufgabe ab, weil ich sie mir nicht zutraue, dann kann ich mich dafür verurteilen, die Chance verpasst zu haben und mein Selbstvertrauen dafür verantwortlich machen. Aber vielleicht hat mein Selbstvertrauen mich vor einer großen Überforderung bewahrt. Man stelle sich nur vor, wie schwer ist es, (besonders wenn man hoch gepokert oder viel eingesetzt hat) zu sagen: „Tut mir leid, ich habe die Aufgabe oder mich falsch eingeschätzt. Ich kann das nicht.“ Genau genommen kenne ich niemanden, der das je zugegeben hätte. Dafür viele, auf die das ganz oder in Teilen zutrifft.

Wenn du dich also gerade verurteilst, dass du nicht genug Selbstvertrauen besitzt, dann kannst du dich fragen: Welche Erfahrungen würde ich machen, wenn ich diese Herausforderung annehme (positive und negative)? Und gibt es einen guten Grund, auch die negativen in Kauf zu nehmen?

Welche Erfahrungen wir machen, hängt zu großen Teilen von unseren Erwartungen ab, und damit wirken Erwartungen indirekt auf unser Selbstvertrauen.

Lese dazu mehr im nächsten Blog.

Autor: Regine

GFK-Trainerin und vieles mehr.

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