schreibend denken und fühlend verstehen wollen


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Braucht dein Selbstbild ein Up-Date?

Wann hast du das letzte Mal dein Selbstbild überholt? Bei größeren Veränderungen im Leben wird es meist notwendig. Denn oft kommen wir nicht weiter, ohne unser Selbstverständnis zu ändern. Zum Glück musst du für ein Up-Date deiner Seele nicht auf einen Misserfolg oder die nächste größere Veränderung warten. Du kannst gleich damit beginnen.

Ein kleiner Selbst-Quiz gefällig?

  1. Frage drei Menschen, die dich gut kennen (Kollegen, Freundinnen, Partner) „Wie wirke ich?“ (Aber zuerst beantworte dir selbst diese Frage.)

GFK Smileys

  1. Für die nächste Frage antworte schnell und spontan mit dem ersten, was dir in den Kopf kommt.

„Die Welt ist voller ___________!“

  1. Was sagst du dir als erstes, wenn du einen Fehler gemacht hast? __________

Und? Hast du den Mut, andere zu fragen? Vielleicht reicht dir die Vorstellung, um die Idee gleich wieder fallen zu lassen. Warum ist das so?

Den meisten von uns ist der Unterschied zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung irgendwo bewusst. Negative Urteile schmerzen und positive verpflichten. In der Hierarchie der wichtigsten Dinge, auf die unser Hirn ständig achtet, liegt die Frage: „Bin ich ok?“ (sozial und körperlich) gleich an zweiter Stelle. Den ersten Platz halten übrigens überlebenswichtige Funktionen unseres Körpers. Und damit da nichts schief läuft, wird Platz 1 vom vegetativen Nervensystem gesteuert. Unser Bewusstsein wäre mit Atmung, Zuckerspiegel und Schlafbedürfnis schnell überfordert. Dafür kümmert es sich um Platz 2, die existentielle Frage, „Bin ich ok?“. „Ok“ im Sinne von anerkannt, dazugehörig und sicher in der Gemeinschaft. Eine Verunsicherung hier bringt unseren Selbstwert ins Wanken und macht es fast unmöglich, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Dieser Bedeutung ist es geschuldet, dass unser Hirn uns für die richtige Einschätzung belohnt, selbst wenn die Einschätzung negativ ist. Sich selbst für schwach zu halten, bringt einen nicht um, wenn man sich entsprechend verhält. Sich für stark zu halten, es aber gar nicht zu sein, hingegen schon.

Wenn die richtige Selbsteinschätzung so wichtig ist, warum sind wir nicht dankbar für jedes Feedback, das uns hilft, uns selbst realistischer zu sehen? Weil das gleichzeitig heißt, dass wir die negativen Gefühle, mit denen unser Gehirn auf „falsche“ Selbsteinschätzung reagiert, aushalten müssen. Da relativieren wir doch lieber das Feedback: „Ach, die sagt das nur, um nett zu sein!“ oder „der kann das gar nicht beurteilen!“

Wir wechseln nun die Blickrichtung von innen nach außen. Wie siehst du die Welt? Schau einmal auf die Antwort der zweiten Frage. Wenn die Welt voller ___________  ist, wie lebt es sich darin? Fühlst du dich wohl? Weißt du die Gesellschaft zu schätzen oder bist du chronisch angenervt?

Diese Sichtweise ist dein persönlicher Filter. Der Filter funktioniert genauso wie das Phänomen, dass, sobald du ein Wohnmobil kaufen willst, von heute auf morgen die Straßen voll davon sind. Wo waren die nur vorher? – Nun, sie fanden den Weg durch deinen persönlichen Filter nicht. Bewusst oder unbewusst entscheiden wir uns, einem Teil der Welt besondere Beachtung zu schenken, das können „Idioten“ genauso wie „Probleme“ oder „schöne Menschen“ sein.

Damit hat unsere Wahrnehmung einen großen Einfluss darauf, wie es uns geht. Die gleiche Bedeutung haben Selbstgespräche. Schau‘ dir noch mal deine Antwort von Frage 3 an. Was würdest du deiner besten Freundin sagen, wenn sie so mit dir spräche? Wärt ihr noch Freunde? Bist du deine eigene Freundin. Glückwunsch, wenn ja! Aber woher hast du das?

Wenn du dich noch nie mit dieser Frage befasst hast, hast du diese Worte mit ziemlicher Sicherheit schon als Kind hundertmal gehört. Lange bevor wir uns bewusst mit unserer Identität auseinandersetzen, verinnerlichen wir die Sätze von unseren wichtigsten Bezugspersonen: „Das hättest du wissen müssen!“, „Wie kann man nur so blöd sein?“ oder „Wie ärgerlich, was machen wir jetzt?“.

Sich das bewusst zu machen, ist unangenehm, aber der erste Schritt deine Filter und Selbstgespräche selbst-bewusst zu gestalten.

Es ist Zeit für ein persönliches Up-Date!*

*Aber Vorsicht, das Up-Date startet mit unangenehmen Gefühlen! Der Benefit kommt später.  

 


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Westliches Selbstbewusstsein – weiter so!?

Selbstbewusstsein ist ein evolutionärer Vorteil des Menschen. Das kann man bei dem Neurologen Antonio Damasio in „Selbst ist der Mensch“ lesen. Man schaue nur, in welchen Gegenden Mensch überleben kann. Dabei ist Mensch noch nicht einmal mehr auf jahrhundertealtes Wissen von Eskimos und Beduinen angewiesen. Dank moderner Technik können wir Schwimmbäder und Obstplantagen in Wüsten bauen und Forschungsstationen auf dem Mond und der Antarktis unterhalten.

Um das umzusetzen, braucht es eine gehörige Prise Selbstbewusstsein.

Doch wenn wir uns nur für europäische Ziele interessieren, dann kommen die Probleme aus Afrika und dem Nahen Osten eben zu uns. Wenn wir uns nur um unsere Bedürfnisse kümmern und die von Tieren und Pflanzen ignorieren, dann entziehen wir uns selbst langsam aber sicher die Lebensgrundlage.

Ach, so schlimm ist es nun auch wieder nicht! – Wirklich nicht?

Neulich bei einem Spaziergang in der alten Heimat. Mit Freude lausche ich im Wald den zahlreichen Vögeln. Auch komme ich durch Waldflächen, die erfreulich unaufgeräumt und wild aussehen. Bäume in Reih und Glied, die man leicht mit einem Maisfeld verwechseln könnte, gibt es natürlich auch, aber ich werde bescheide, was meine Ansprüche an die deutsche Natur angeht. Die Sonne scheint durch die noch kahlen Zweige und ich wähle einen Weg über die Felder zurück. Mit jedem Schritt, mit dem ich mich vom Waldrand entferne, wird es stiller. Rechts breitet sich ein noch braunes Rapsfeld aus, links säumt Buschwerk den Wegrand. Wo sind die Vögel? Ich suche das Gestrüpp ab, kann aber keine finden. Es ist unheimlich still. Ich frage einen alten befreundeten Bauern? Der zuckt resigniert mit den Schultern. Neue Pestizide: „Die sind so effektiv, die machen alles kaputt!“ Tausendfüßler, Spinnen oder Fliegen, kein Insekt entkommt der chemischen Keule. Und die Vögel müssen sich woanders ihre Nahrung suchen. Ich bin fassungslos! Da haben wir Menschen wieder mal selbstbewusst unserem Feind, den Schädlingen von Weizen und Mais, den Kampf angesagt, und ohne mit der Wimper zu zucken, zahlreichen anderen Arten den Lebensraum entzogen. Die totale Vernichtung ist erlaubt.

Aber mal ehrlich! Müssten wir mit unserem Bewusstsein, mit unserem Wissen über ökologische Zusammenhänge nicht weiter sein? Anscheinend nicht, wie traurig!


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Negativ sticht positiv – eine biologische Programmierung

Beim Erinnern bevorzugt das Gehirn negative Erlebnisse. Je schlimmer und bedrohlicher sie sind, desto tiefer prägen sie sich ein. Und nicht nur das, taucht die Erinnerung wieder auf, reaktiviert unser Gehirn alle dazugehörenden Gefühle und schwämmt damit den Körper. Es stellt damit sicher, dass wir uns vor lebensbedrohlichen Dingen fernhalten und die Auslöser auf gar keinen Fall vergessen. Das funktioniert so gut, dass manche Eltern es als effektive Erziehungsmethode schätzen. Hat man einmal gelernt, sich für etwas zu schämen, taucht das Gefühl beim bloßen Gedanken daran wieder auf.

Der Nachteil liegt auf der Hand. Gehorsame Kinder, die durch Angst und Scham zu einem angepassten Verhalten gebracht wurden, haben keinen Selbstwert. Die Werte, nach denen sie leben, sind nicht ihre eigenen. Schließlich bedeutet Selbstwert, dass der Wert aus einem selbst kommt. Man könnte sagen, diese Kinder haben Fremdwert.

Marktforscher haben herausgefunden, dass es 7 positive Nachrichten zu einem Produkt braucht, bis ein Kunde nach einer Negativaussage seine Meinung wieder ändert. Daraus kann man ableiten, dass unser Gehirn negative Ereignisse um den Faktor 7 bevorzugt. Wer das überprüfen möchte, gehe zum nächsten Zeitungsstand und beobachte mal, welches Titelblatt seine Aufmerksamkeit als erstes auf sich zieht. Auch wenn man keine Bildleserin ist, wird es wahrscheinlich das Bild der IS-Kämpfer sein, die wütend die Gewehre schütteln, oder das Bild der ausgebrannten Wohnung mit weinenden Menschen im Vordergrund. Die hübsche Zimmerdeko von „Schöner Wohnen“ nimmt man in den ersten 5 Sekunden nicht wahr. Sollten die Marktforscher Recht haben, wird es 7-mal länger dauern, bis wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten. (Ich würde behaupten, es dauert länger.)

Was hat das für Folgen auf unser Selbstbild? Braucht man ein gutes Gedächtnis, damit man mit sich selbst zufrieden ist? Ist es nicht praktischer, vergesslich zu sein, um sich an all die Fauxpas und Fehler nicht zu erinnern? Nur, wenn einem das Vergessen des Negativen gelingt, dann gelingt das Vergessen des Positiven noch viel besser.

Hier eine kleine Übung: Versuch dich an etwas zu erinnern, was du gestern getan hast und das du gut findest. Es muss nichts Großes sein. Zum Beispiel so etwas wie: „Ich habe endlich die Küche geputzt, es sieht so schön aus.“ Es gibt zwei Bedingungen für diese Übung: a) du musst das, was du getan hast, positiv bewerten und b) du musst diese Wertung auch fühlen können (die gefühlte Freude ist der Beweis, dass du deine Werte erfüllt hast und nicht die deiner Mutter).

Wem das schwer fällt, dem empfehle ich, diese Übung jeden Morgen zu machen. Schreibe in ein Tagebuch fünf positive Taten des gestrigen Tages. Sollten es am Anfang nur 1 oder 2 sein, verliere nicht den Mut. Mache weiter und überprüfen einmal, ob du den Level von dem, was du als „gut“ bezeichnen würdest, hinunterschrauben kannst, sodass es fünf Stück werden. Wenn man will, dass es eine Wirkung auf das Gehirn hat, dann sind drei Monate ein guter Zeitraum, diesem eine neue Funktionsweise beizubringen. Weniger ist natürlich auch gut. Ich habe es ungefähr ein halbes Jahr lang gemacht. Nicht nur, dass es die Meinung von mir selbst verbessert hat, sondern auch, dass mein Gedächtnis allgemein, deutlich besser geworden ist. Zufrieden beendete ich die Übung, um nach zwei Wochen wieder anzufangen – ich vermisste die angenehmen Gefühle zu sehr.

Fazit: Wenn der Focus stimmt, dann ist ein gutes Gedächtnis dem Selbstwert sehr förderlich!


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Selbstbewusstseins – ein Vorteil der Evolution?

Antonio Damasio schreibt in seinem Buch „Selbst ist der Mensch“, dass Bewusstsein nicht etwas ist, das erst mit der Menschheit aufgekommen ist. Unsere Einzigartigkeit beruht nicht auf Bewusstsein, sondern auf Selbst-Bewusstsein. Seine These ist, dass Selbstbewusstsein einen Überlebensvorteil darstellte, sonst hätten unsere Vorfahren nicht überlebt und das menschliche Gehirn wäre nie so groß geworden. Wenn ich mir anschaue, wie viele Menschen es mittlerweile auf der Erde gibt, dann würde ich sagen, er hat recht.

Wie kam es also dazu?

Auch für eine Pflanze ist es gut, wen sie sich selbst fühlen kann (Grundbedingung des Bewusstseins) und wenn sie damit auch spüren kann, was gut für sie ist (Bedürfnisse). Warum? Wie soll sie wissen, wohin sie wachsen soll, wenn sie nicht die Sonne auf ihren Blättern spüren könnte? Wie sollte sie sonst auf die Idee kommen, sich dorthin zu drehen? Doch alle Pflanzen wachsen in Richtung Sonne.

Sich selbst und seine Umwelt spüren zu können ist gut. Sie sehen, hören und vor allem sich darin bewegen können ist noch besser. So machen es die Tiere.

Ein Tier kann nicht nur die Außenwelt mit seinen Sinnen erkennen, es nimmt auch sein Innenleben deutlich differenzierter wahr als Pflanzen. So können Tiere Gefühle wie Aggression, Zuneigung oder Hunger unterscheiden und passend darauf eingehen. Diese Gefühle zeigen ihnen an, ob es jetzt angesagt ist, das Revier zu verteidigen, mit Artgenossen zu Schmusen oder Nahrung zu suchen. Tiere kennen ihre Umwelt und sich selbst deutlich besser als Pflanzen und sind damit bewusster. Deshalb haben sie mehr Möglichkeiten, wenn die Umweltbedingungen mal nicht so sind, wie sie sie brauchen.

Bei uns Menschen kommen erstmal alle vorherigen Komponenten des Bewusstseins zusammen.

  • Den eigenen Körper fühlen können
  • Eigene Gefühle erkennen und Aktionen daraus ableiten
  • Die Umwelt kennen und wissen, welchen Einfluss sie hat
  • Die eigenen Möglichkeiten kennen
  • Die besonders wichtigen Fähigkeiten an die Nachkommen weitergeben

Das sind alles Komponenten von Bewusstsein, doch bei uns Menschen kommt noch ein „Selbst“ dazu. Dieses Selbst, das wir auch „ich“ nennen, setzt alles, was passiert, mit sich selbst in Beziehung. Erkennt der sogenannte Selbstprozess keine Beziehung oder Bedeutung zwischen einem Ereignis und sich selbst, wird dieses sofort wieder vergessen. Dieses Selbst sagt: Meine Gefühle, meine Bedürfnisse, meine Umwelt, meine Möglichkeiten, meine Liebsten, meine Träume. Es stellt permanent zu allem einen Selbstbezug her, indem es fragt: „Was hat das mit mir und meinem Leben zu tun?“

Jetzt erlebt der eine oder die andere es nicht als Vorteil, alles auf sich selbst zu beziehen. Wenn alles, was mein Nachbar denkt, für mich Bedeutung hat, kann das anstrengend werden.

Um den Vorteil in Bezug auf das Selbst zu verdeutlichen, hier der Vergleich zu meiner Hündin Nita. Im Gegensatz zu Nita weiß ich heute noch, dass ich gestern beim Arzt war (sagen wir bei der Hautvorsorge) und dass der Arzt meine Leberflecken auffällig fand. Ich weiß, das kann Einfluss auf mein Leben haben. Ich kann mir verschiedene Zukunftsszenarien vorstellen, und eine relativ harmlos könnte sein, darauf zu achten, keinen Sonnenbrand mehr zu bekommen.

Meine Hündin weiß all das nicht. Was sich sicher auch positiv auf ihr Wohlbefinden auswirkt, aber eventuell nicht auf ihr Überleben. Im Bewusstsein eines Säugetieres gibt es nur die Gegenwart. Das heißt, Nita weiß nicht mehr, dass sie gestern beim Tierarzt war. Sie erkennt aber sofort, wenn wir jetzt zum Tierarzt gehen. Dann reagiert sie emotional und bekommt Angst. Sie hat aber überhaupt kein Bewusstsein darüber, was dieser Besuch für sie bedeutet (Selbstbezug). Sie bemerkt nur „unangenehm“ und folgert der inneren Programmierung „vermeiden!“ Beides läuft unter Umständen auch in mir ab, nur dass ich dem Ganzen zusätzlich eine Bedeutung gebe. Diese Bedeutung ist: „1. Ich mag Vorsorgetermine nicht. 2. Ich erkenne, dass sie für mich sinnvoll sind, da ich so viele Muttermale habe! 3. Es könnte sich positiv auf mein Überleben auswirken!“

Hier liegt der Vorteil des Selbst. Es schafft Bedeutung, noch bevor das Problem da ist. Das heißt, bevor ich mich krank fühle, tue ich etwas für meine Gesundheit. Ein wildes Tier wird erst dann etwas tun, wenn es krank ist. Dann könnte es anfangen, Heilkräuter zu fressen. Das setzt sich in allen Lebensbereichen fort. Zum Beispiel tue ich etwas für meine Ernährung, bevor ich Hunger habe (Geldverdienen, Einkaufen etc.).

Der Wunsch zu leben ist die mächtigste Motivation überhaupt. Sie übersteigt unseren Wunsch nach Wohlbefinden bei weitem. Das ist der Grund, warum sich die Biologie nicht für das Glücklichsein interessiert! Überleben ist wichtiger! Unter diesem Gesichtspunkt ist es extrem sinnvoll, über Probleme nachzudenken, bevor sie existieren. In Sachen Glücklichsein dagegen kann es sehr nachteilig sein, den größten Teil seiner Zeit über Probleme nachzudenken, die es nicht gibt. Das Ganze wird dadurch noch sinnloser, wenn man bedenkt, dass wir nur Zeit haben, über all die nicht-existierenden Probleme nachzudenken, weil unser Überleben gesichert ist! Hier beißt sich leider der menschliche Überlebensvorteil in den nicht-existenten Schwanz.

Für all die Menschen, die das Glück haben, keine Angst mehr vor dem Verhungern haben zu müssen, gilt, dass die eigentliche Herausforderung des Lebens darin besteht, über die biologische Programmierung des Selbstbezugs hinauszuwachsen.


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Selbstwert mit und ohne Lottoschein

Ich habe mal gelesen, dass es bei der Entwicklung von Selbstwertgefühl keine Reihenfolge in dem Sinne gibt, dass man erst Selbstbewusstsein entwickelt und es dann nutzt. Genaugenommen entsteht Selbstwert in dem Moment, in dem man etwas tut. Das hat etwas Absurdes, ist aber so. Schauen wir uns ein Beispiel an. Wenn ich das 1. Mal vor einem großen Publikum spreche, dann kann ich alles Mögliche dazu vorbereiten, außer das „vor einem großen Publikum sprechen“. Das bleibt das Neue und ist auch nicht übbar. Doch genau da brauchen wir Selbstbewusstsein. Richtig sichtbar wird es dann erst hinterher: „Puh, das war aber aufregend! Aber es ist doch erstaunlich gut gelaufen!“ Man ist stolz, dass man es geschafft hat. Und als nächstes steigt das Selbstbewusstsein und damit die Bereitschaft, es das nächste Mal wieder zu versuchen. Ganz anders ist es, wenn man scheitert, dann ist das Weitermachen extrem schwer. Doch trotz eines Misserfolges weiterzumachen, auch das zeichnet Menschen mit einem guten Selbstbewusstsein aus. Statt ganz aufzugeben, verändern sie das, was sie verändern können. Zum Beispiel mehr üben, ein leichter erreichbares Ziel suchen, es einfach nochmal probieren etc. Mich selbst beruhigt das Prinzip: „Erst tun, dann Selbstbewusstsein!“ Jetzt muss ich nicht mehr warten, bis „es“ da ist. Ich kann einfach anfangen.

Doch die Sicherheitsfreaks unter uns werden jetzt vielleicht sagen: „Aber mein Selbstwert reicht einfach nicht aus, um es zu tun.“ Wenn wir sicher sein wollen, dass etwas genau so passiert, wie wir es wollen, dann ist mangelndes Selbstbewusstsein eine tolle Strategie. Das mangelnde Selbstwertgefühl sorgt dafür, dass nichts Unerwartetes eintritt. Man wird nie Vorträge vor 500 Leuten halte und folglich auch nie vor Aufregung kaum schlafen können und sich auch nie anhören müssen, dass man die Nervosität in der Stimme gehört habe oder nicht so professionell rüberkam. Jeder der Sicherheit groß schreibt, darf sich hier zur erfolgreichen Erfüllung seines Sicherheitsbedürfnisses beglückwünschen.

Die Menschen, die an die Kraft der Wünsche (z.B. ans Universum) glauben, werden sagen: „Wenn ich etwas wirklich will, dann wird es auch eintreten.“ Auffallender Weise sagen sie das lieber zu anderen und wollen anscheinend selbst noch nicht intensiv genug. Und falls sie doch den Mut gefunden haben, dann ist dieses Denken nur so lange ein Segen, wie alles gut läuft. Nach mehreren gescheiterten Versuchen wird diese Haltung zum Bumerang. Dann tauchen Fragen auf, wie: „Was stimmt denn mit meiner Haltung nicht? Will ich das wirklich erreichen oder wünsche ich mir nicht insgeheim den Misserfolg, der mir ja auch prompt geliefert wird?“ Das sind gute Fragen, um das bisschen Selbstwertgefühl, was man sich aufgebaut hat, wieder auszumerzen.

Es gibt etwas, was sicherheitsliebende Menschen zu viel und Universumsgäubige zu wenig beachten. Das ist die Außenwelt! Die einen überbewerten sie und wollen eindeutige Beweise, die es im Vorweg nie gibt. So ist zum Beispiel keine Geschäftsidee gut genug, um die Selbstständigkeit zu wagen. Die Universumsgläubigen hingegen ignorieren die Außenwelt lieber ganz. Alles was passiert, ist Ausdruck der inneren Haltung. Egal, wie viele Menschen zuvor mit der Idee gescheitert sind, es liegt an der inneren Haltung. Dinge wie „Angebot, Nachfrage und Markt“ gibt es nicht. Die Last und die Verantwortung, die man sich dabei aufbürdet, können einen in Burn-out und Verzweiflung treiben.

Ich bleibe bei meiner Meinung, man muss es tun, um rauszukriegen, ob es klappt. Und sollte es nicht klappen, geht es darum, dass man die Verantwortung für das übernimmt, worauf man Einfluss hat, und die Macht dessen anerkennt, auf das man keinen Einfluss hat.

Also, was hat jetzt das Selbstwertgefühl mit einem Lottoschein gemeinsam?

Moses und der Lottoschein

Moses betet jeden Abend zu Gott:

„Lieber Herr, bitte erfülle mir diesen einen Wunsch. Bitte lass mich einen 6er im Lotto gewinnen. Lieber Herr, das ist mein einziger Wunsch, bitte!“

Jeden Abend betet er so. Eines Abends reißt die Wolkendecke auf und der Herr tritt hervor. Wütend donnert seine Stimme vom Himmel:

„Moses, ich würde dir deinen Wunsch ja erfüllen, nur…

… kauf dir endlich einen Lottoschein!“

(Man beachte, dass Moses etwas tun und nicht seine innere Haltung ändern soll.)

So ist es mit dem Selbstwertgefühl. Man kann drum bitten, aber letztendlich muss man den Lottoschein kaufen und vor allem einlösen, um zu sehen, was man gewonnen hat.


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Die Stellschrauben am Selbstvertrauen – Teil 3

(Können, Erfahrung, Erwartung und Vertrauen.)

Erwartungen und das Selbstbewusstsein

In meinem Kurs „Sich selbst wertschätzen“ befinden sich immer wieder Teilnehmerinnen, die die Erwartung an mich haben, dass sie nach dem Kurs keine Erwartungen mehr an sich haben. Der Wunsch dahinter ist, der Selbstkritik zu entgehen. Leider ist das nicht so einfach.

Auch wenn wir in unserer Gesellschaft merken, dass es viele verschiedene Erwartungen an das Leben und die eigene Person gibt, so sind Erwartungen nichts Beliebiges, sondern tief in unser Denken und Fühlen eingegraben. Die meisten sind sogar sehr sinnvoll und erleichtern das Leben erheblich. So regelt die Erwartung, dass Autos an roten Ampeln halten, hierzulande den Verkehrsfluss. Die gleiche Erwartung in Südamerika kann einen das Leben kosten. Auch soziales Miteinander wird über Erwartungen geregelt. So gab es bei meiner letzten Arbeitsstelle die Erwartung, dass man sich mit Handschlag begrüßte. Das war eine Frage der Höflichkeit und sorgte für eine gute Stimmung untereinander. Entsprach man dieser Erwartung nicht, sank die Bereitschaft zur Zusammenarbeit sofort.

Probleme mit Erwartungen bekommt man erst, wenn sie falsch bzw. nicht erfüllbar sind. Dann fangen sie an, das Selbstbewusstsein zu untergraben.

Erwarte ich von mir, dass ich immer die Erwartungen von anderen erfülle, dann gibt es in meinem Kopf dazu keine Alternative. Das liegt in der Natur der Erwartung. Aus der Fülle von Möglichkeiten wird nur eine akzeptiert, das gibt Sicherheit. Wäre es anders, dann wäre sie ein Wunsch und damit in der Erfüllung unsicher. Problematisch für mein Selbstbewusstsein wird sie, weil sie nicht realisierbar ist. Wäre sie erfüllbar, wie der morgendliche Handschlag unter Kollegen, dann würde sie nicht nur den sozialen Zusammenhalt stärken, sondern auch mein Selbstbewusstsein.

Daniel Goleman hat in einem psychologischen Test nachgewiesen, wie subtil Erwartung auf Leistung wirkt. Vor einem Mathetest mit einfachen Rechenaufgaben erzählte er der einen Gruppe einen Blondinenwitz. Die Frauen dieser Gruppe schnitten nicht nur schlechter ab als die Männer, sondern auch deutlich schlechter als die Frauen der Kontrollgruppe (die den Witz nicht gehört hatten). Der Witz transportiert das Vorurteil und damit auch die Erwartung, dass Frauen dumm sind. Und da wir Menschen dazu tendieren, Erwartungen zu entsprechen, passen wir uns unbewusst diesen an. Das macht Beweise über typische Verhaltensweisen sehr schwierig. Schon die These beeinflusst das Ergebnis.

Wer jetzt glaubt, man müsse einfach nur die Erwartung ändern, hat leider auch nicht die Lösung gefunden. So erwarten heutzutage die meisten Menschen, dass Frauen im Job genauso erfolgreich sind wie Männer. Das Selbstbewusstsein von Frauen hat sich aber nur da gebessert, wo sich diese Erwartung hat umsetzen lassen. Tatsächlich ruiniert diese Erwartung vielen Frauen das Selbstbewusstsein, weil „genauso erfolgreich sein“ entweder an den Karrieremöglichkeiten oder an der Doppelbelastung von Familie und Arbeit scheitert. Positive Erwartungen wirken aufbauend, wenn sie machbar sind.

Peinlichkeit und Scham sind Anzeichen, dass Erwartungen an uns ziehen und zerren. Will ich den Satz: „Ich muss die Erwartungen aller Teilnehmer erfüllen“ ändern in „Ich mache es so gut, wie ich kann!“, dann ändere ich nur meinen Teil der Erwartung. Das ist übrigens der einzige Teil, den ich ändern kann. Gelingt mir dies, dann stehe ich mit dieser neuen Haltung unter Umständen alleine da. Sehr wahrscheinlich begegne ich dann Kollegen oder Teilnehmern, die mich darauf hinweisen, dass das Erfüllen der Erwartung doch meine Aufgabe sei. Das heißt, die eigene Unsicherheit erhöht sich wieder und der positive Effekt auf das Selbstbewusstsein bleibt erst mal aus.

So müssen wir beim Umgang mit Erwartungen gleich zwei Dinge gleichzeitig lernen: 1. unsere Erwartung zu ändern und 2. genug Selbstbewusstsein zu entwickeln, um die neue Haltung alleine durchzuhalten.

Stecke ich in Selbstvorwürfen fest, weil ich unrealisierbare Erwartungen nicht erfüllen kann, hilft es mir, mich zu fragen: „Welches der folgenden Bedürfnisse fehlt mir gerade?“ „Liebe, Dazugehören, Wertschätzung oder (berufliches) Weiterkommen“. Im meinem Fall wäre es Wertschätzung. Dann überlege ich, wann ich in einer ähnlichen Situation schon Wertschätzung erhalten habe. Hier fällt mir ein Teilnehmer ein, der mir schrieb, wie sehr ihn der Workshop berührt hat und welche Übungen ihn besonders begeistert haben. Die Erinnerung daran nimmt der verloren geglaubten Wertschätzung die Schärfe.

Eine Freundin erzählte mir neulich, dass sie fast schon enttäuscht darüber sei, dass ihr Chef sie jetzt mehr schätze als früher. Was war passiert? Sie hat die Erwartung an sich aufgegeben, Aufträge immer fristgerecht abschließen zu müssen. Sowohl ihre Enttäuschung, als auch die Meinungsänderung des Chefs mögen erstaunen. Doch wenn wir bedenken, wie schwer es ist, etwas gegen die Erwartung von anderen zu tun, dann erklärt sich die Wertschätzung für Menschen, die unabhängig von gesellschaftlichen Erwartungen ihren Weg gehen.

Ich wäre neugierig von deinen Erfolgen zu hören, mit Erwartungen umzugehen.

Lese mehr dazu im nächsten Blog.


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Die Stellschrauben am Selbstvertrauen – Teil 2

(Können, Erfahrung, Erwartung und Vertrauen.)

Erfahrung

Nachdem ich im ersten Teil darüber geschrieben habe, wie Können das Selbstvertrauen beeinflusst, möchte ich heute erforschen, wie Erfahrung darauf wirkt.

Erfahrung und Selbstvertrauen haben ein interessantes Verhältnis zueinander. Immer dann, wenn ein neuer Lebensabschnitt ansteht und man folglich keine Erfahrungen auf dem Gebiet hat, sieht man sich auf sein Selbstvertrauen zurückgeworfen. Zum Beispiel war es für mich nach dem Studium eine Qual (wegen ständiger Selbstzweifel) Bewerbungen zu schreiben und Vorstellungsgespräche zu führen. Einmal musste ich in einem Vorstellungsgespräch bei der Frage passen, ob ich mehrere Aufgaben gleichzeitig im Blick behalten könne. Ich wusste es nicht und blieb die Antwort schuldig. In den folgenden Jahren wurde mir klar, dass ich diese Frage mit einem beherzten „Ja“ hätte beantworten können. Heute stecke ich wieder in einer Bewerbungsphase und ich antworte mit mehr Selbstvertrauen, wenn es um Fragen nach Fähigkeiten oder Erfahrungen geht, die ich noch nicht gemacht habe.

Unser Selbstvertrauen nimmt mit steigendem Alter zu, das heißt mit zunehmender Erfahrung. Doch das Gegenteil kann auch passieren. Frauen, die längere Zeit wegen der Kinder zu Hause blieben, erleben sich als viel unsicherer im Beruf, als sie es zuvor waren. Ihnen fehlt die Erfahrung. Im zwischenmenschlichen Bereich ist es genauso. Wie unsicher ist man mit dem ersten Kind. Und um wie viel gelassener beim Dritten? Und mit dem Nachzügler kann es sich anfühlen, als würde man wieder von vorne anfangen.

Der Unterschied zwischen Beruf und Familie ist vielleicht der, dass zum Beruf eine Phase des Lernens gehört (Studium, Ausbildung). Junge Eltern dagegen sehen sich mitunter sehr unvorbereitet der Aufgabe gegenüber, ein Baby zu versorgen. Doch genau dieses Reingestoßen-Sein ist ein Vorteil. Man muss es tun, man kann nicht mehr darüber nachdenken, ob man es kann oder nicht oder ob man es sich zutraut. Denn genau dieses Warten auf innere Sicherheit ist der Erfahrungskiller Nr. 1 und schadet damit genau dem, worauf man wartet, dem Selbstvertrauen. Was dabei unberücksichtigt bleibt, ist die Tatsache, dass Können oder genauer gesagt Wissen nur einen Teil der Kompetenz ausmacht. Die Praxis ist meist viel komplexer und kann eigentlich nur im täglichen Leben geübt werden. Und das, was man am meisten üben muss, ist mit „Niederlagen und Absagen umgehen“, Ziele korrigieren und weitermachen, obwohl man gerade nicht weiß, wo es hingeht. Alles Dinge, die wir nicht mit Selbstvertrauen in Verbindung bringen. Und trotzdem wächst es daran!

Doch warum ist Selbstvertrauen begrenzt? Lehne ich zum Beispiel eine Aufgabe ab, weil ich sie mir nicht zutraue, dann kann ich mich dafür verurteilen, die Chance verpasst zu haben und mein Selbstvertrauen dafür verantwortlich machen. Aber vielleicht hat mein Selbstvertrauen mich vor einer großen Überforderung bewahrt. Man stelle sich nur vor, wie schwer ist es, (besonders wenn man hoch gepokert oder viel eingesetzt hat) zu sagen: „Tut mir leid, ich habe die Aufgabe oder mich falsch eingeschätzt. Ich kann das nicht.“ Genau genommen kenne ich niemanden, der das je zugegeben hätte. Dafür viele, auf die das ganz oder in Teilen zutrifft.

Wenn du dich also gerade verurteilst, dass du nicht genug Selbstvertrauen besitzt, dann kannst du dich fragen: Welche Erfahrungen würde ich machen, wenn ich diese Herausforderung annehme (positive und negative)? Und gibt es einen guten Grund, auch die negativen in Kauf zu nehmen?

Welche Erfahrungen wir machen, hängt zu großen Teilen von unseren Erwartungen ab, und damit wirken Erwartungen indirekt auf unser Selbstvertrauen.

Lese dazu mehr im nächsten Blog.