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Die Aufgabe hinter den Gefühlen

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Wir erzeugen unsere Gefühle selbst! Warum? Um Lebensaufgaben zu meistern. Das behauptet Amana Virani in ihrem Buch: „Gefühle – Eine Gebrauchsanweisung“. Welch spannende Herangehensweise!

Also wie machen wir das?

Wir bewerten eine Situation und passend dazu stellt sich ein Gefühl ein. Meistens geht das so schnell, dass wir den Gedanke bzw. die Bewertung gar nicht mehr wahrnehmen.

Hier ein Beispiel:

Wenn du mich spontan besuchst und ich diesen Besuch als „richtig“ bewerte, dann freue ich mich. Bewerte ich ihn hingegen als „falsch“, dann werde ich wütend. Muss ich deshalb meine geliebte Lektüre unterbrechen, finde ich das „schade“ und werde traurig. Ganz anders fühlt es sich an, wenn ich deinen Besuch „furchtbar“ finde, dann habe ich Angst. Oder mir ist dein Besuch unangenehm, dann beziehe ich es auf mich und denke: „Ich bin falsch“, dann schäme ich mich.

Dass wir eine Situation so oder so bewerten können, entgeht uns meistens. In der Regel halten wir es für die einzig richtige und damit einzig mögliche Reaktionsweise. Was nicht stimmt! Bewertungen sind von Mensch zu Mensch und von Situation zu Situation unterschiedlich und eben nicht immer richtig (dazu in einem späteren Text mehr).

Doch die Theorie von Amana Virani geht noch weiter. Sie sagt, wir haben diese Gefühle, weil dahinter Kräfte stehen, die wir mobilisieren können, um damit die Aufgabe der spezifischen Situation zu meistern. Und praktischerweise ordnet sie die Kräfte und Aufgaben gleich den Gefühlen zu.

Zum Beispiel sagt sie, dass hinter der Wut die Kraft der Klarheit steht. Und aus der Wut erwächst die Aufgabe zu handeln.

Nehmen wir das oben genannte Beispiel: Wenn ich wütend bin, weil du einfach bei mir hereinschneist und erwartest, dass ich mal eben Zeit für dich habe, dann habe ich in meiner Wut die Kraft, klare Grenzen zu setzen. Und meine Aufgabe ist es, meinen Worten auch Taten folgen zu lassen, also zu handeln. D.h. nicht nur zu sagen, dass ich das nicht in Ordnung finden, sondern dich auch zu bitten, jetzt zu gehen und das nächste Mal vorher anzurufen.

Doch meine Bewertung „Das ist falsch!“ ist nicht an das, was du tust, gekoppelt. Das wird deutlich, wenn ich an einem anderen Tag auf deinen spontanen Besuch mit Freude reagiere. Dann sage ich innerlich „ja, das finde ich richtig“. Die Kraft hinter der Freude ist die Anziehung in beide Richtungen. Wenn ich mich freue, bin ich anziehend, und was mich freut, zieht mich an. Auch dieses Gefühl hat eine Aufgabe, nämlich „wertzuschätzen“. Es geht darum zu sagen, wie sehr ich deinen Besuch genieße. Und wie oft im Leben vergessen wir diese Aufgabe?

Wieder eine andere Bewertung könnte sein, dass ich es „schade“ finde, wenn du spontan in meiner Tür stehst, weil ich jetzt das Buch nicht zu Ende lesen kann. Dann bin ich traurig. Auch die Trauer hält eine Kraft und eine Aufgabe bereit. Die Kraft ist die Liebe. Die Liebe hält das in Ehren, was uns lieb und teuer ist und sei es eine Geschichte, die uns fesselt und nicht mehr los lässt. Und nur die Liebe hat die Kraft zu akzeptieren, dass wir das, was wir so sehr wollen, nicht haben können. Und somit ist die Aufgabe der Trauer (Traurigkeit), das Unerreichbare anzunehmen.

Eine andere Energie entsteht, wenn du plötzlich in meiner Tür stehst und ich das „furchtbar“ finde, weil ich das Geld, was ich dir schulde, nicht habe. Dann habe ich Angst. Die Dringlichkeit in der Angst ist gut spürbar, besonders weil wir die ihr innewohnende Kraft der Kreativität jetzt so sehr brauchen. In diesem Moment ist es die Aufgabe eine noch nie dagewesene neue Lösung aus dem Hut zu zaubern, sprich eine echt schöpferische Leistung zu vollbringen. Das erklärt die ein oder andere Notlüge. Nur dass Angst dahinter steht, würden die meisten nicht vermuten.

Abschließend noch ein Gefühl, was nicht auf der Bewertung der Situation, sondern auf der Bewertung der gesamten Person beruht und damit sehr unangenehm ist. Es ist die Scham. Die Scham sagt: „Ich bin falsch!“ Zum Beispiel: Ich bin falsch, weil mein Bad so dreckig ist oder meine Wohnung zu klein/schäbig/unordentlich.

So unwahrscheinlich es klingen mag, auch die Scham stellt mir eine Kraft zur Verfügung. Die Kraft heißt Demut. Wir brauchen Demut, um zu erkennen, dass wir fehlbar sind und Schwächen haben. Und die Aufgabe hinter der Scham ist es darüber nachzudenken (Selbstreflexion), wie wir selbst sind, wie wir sein wollen oder sein sollten.

Amana Virani sagt, dass in der Scham alle anderen Gefühle enthalten sind. Mit Hilfe von Selbstreflexion können wir das dahinterliegende Gefühl erkennen und uns dessen Kraft zu Nutze machen.

Gehe ich durch die Scham und nutze ich die Demut, um meine Fehlbarkeit zu akzeptieren, dann kann ich im Nachdenken über die Situation eines der vier obengenannten Gefühle entdecken.

Zum Beispiel: Erst schäme ich mich und dann spüre ich die Wut auf mich selbst. Hier kann ich zu dem Bewusstsein kommen, dass ich es völlig unakzeptabel finde, meinen Besuch ins Bad zu lassen. Eine Handlung könnte sein, den Gast zu bitten, im Wohnzimmer Platz zu nehmen, während ich über das Waschbecken wische. Hauptsache, es passiert etwas. Das ist Wutenergie!

Oder ich schäme mich und erkenne dahinter meine Traurigkeit, weil ich feststelle, dass ich nicht so ordentlich bin, wie ich es gerne wäre. Wenn ich mir liebevoll begegnen, dann kann ich mein Selbstbild korrigieren und in Zukunft anderen gegenüber, meine „unordentliche“ Seite eingestehen.

Oder ich schäme mich und habe Angst (was soll er von mir denken) und dann reagiere ich mit einer kreativen neuen Lösung, lasse ich dich gar nicht eintreten und sage: „Ich wollte gerade in ein Café um die Ecke gehen, willst du nicht mitkommen?“

Oder ich schäme mich, und dann freue ich mich, weil ich jetzt den Anreiz habe, das Bad zu putzen.

Wenn wir das dahinterliegende Gefühl entdecken, dann hilft es uns aus der Starre, in die uns die Scham oft hinein katapultiert. So können wir eine Position und einen Umgang mit der Scham finden, der uns wieder zu unserem Selbstwert führt.

Ich finde es immer wieder spannend, mich dabei zu beobachten, wie ich mit dem einen oder anderen Gefühl umgehe. Dabei hilft mir die meditative Haltung, die Dinge ohne Bewertung zu betrachten. Mit diesem Bewusstsein kann ich auch unangenehme Gefühle richtig finden. Und die Aufgaben und Kräfte nutze ich als Wegweiser, wie es für mich am besten weitergeht.

Ebenso erklärt diese Theorie auch die Freude, die viele Yogis und Meister durch und bei der Meditation beschreiben. Es ist die Freude, die entsteht, wenn man sagt: Das, was ist, ist richtig!

Gefühl Interpretation Kraft Aufgabe Schatten Element
Wut „Das ist falsch“ Klarheit Handlung Zerstörung Feuer
Trauer „Das ist schade“ Liebe Annahme / Akzeptanz Passivität Wasser
Angst „Das ist furchtbar“ Kreativität Schöpfung (Neues) Lähmung Erde
Freude „Das ist richtig“ Anziehung, Verbindung Wertschätzung Illusion Luft
Scham „Ich bin falsch“ Demut Selbstreflexion Lernen Selbstzerfleischung Äther
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Autor: Regine

GFK-Trainerin und vieles mehr.

3 Kommentare zu “Die Aufgabe hinter den Gefühlen

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