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Die Stellschrauben am Selbstvertrauen – Teil 3

(Können, Erfahrung, Erwartung und Vertrauen.)

Erwartungen und das Selbstbewusstsein

In meinem Kurs „Sich selbst wertschätzen“ befinden sich immer wieder Teilnehmerinnen, die die Erwartung an mich haben, dass sie nach dem Kurs keine Erwartungen mehr an sich haben. Der Wunsch dahinter ist, der Selbstkritik zu entgehen. Leider ist das nicht so einfach.

Auch wenn wir in unserer Gesellschaft merken, dass es viele verschiedene Erwartungen an das Leben und die eigene Person gibt, so sind Erwartungen nichts Beliebiges, sondern tief in unser Denken und Fühlen eingegraben. Die meisten sind sogar sehr sinnvoll und erleichtern das Leben erheblich. So regelt die Erwartung, dass Autos an roten Ampeln halten, hierzulande den Verkehrsfluss. Die gleiche Erwartung in Südamerika kann einen das Leben kosten. Auch soziales Miteinander wird über Erwartungen geregelt. So gab es bei meiner letzten Arbeitsstelle die Erwartung, dass man sich mit Handschlag begrüßte. Das war eine Frage der Höflichkeit und sorgte für eine gute Stimmung untereinander. Entsprach man dieser Erwartung nicht, sank die Bereitschaft zur Zusammenarbeit sofort.

Probleme mit Erwartungen bekommt man erst, wenn sie falsch bzw. nicht erfüllbar sind. Dann fangen sie an, das Selbstbewusstsein zu untergraben.

Erwarte ich von mir, dass ich immer die Erwartungen von anderen erfülle, dann gibt es in meinem Kopf dazu keine Alternative. Das liegt in der Natur der Erwartung. Aus der Fülle von Möglichkeiten wird nur eine akzeptiert, das gibt Sicherheit. Wäre es anders, dann wäre sie ein Wunsch und damit in der Erfüllung unsicher. Problematisch für mein Selbstbewusstsein wird sie, weil sie nicht realisierbar ist. Wäre sie erfüllbar, wie der morgendliche Handschlag unter Kollegen, dann würde sie nicht nur den sozialen Zusammenhalt stärken, sondern auch mein Selbstbewusstsein.

Daniel Goleman hat in einem psychologischen Test nachgewiesen, wie subtil Erwartung auf Leistung wirkt. Vor einem Mathetest mit einfachen Rechenaufgaben erzählte er der einen Gruppe einen Blondinenwitz. Die Frauen dieser Gruppe schnitten nicht nur schlechter ab als die Männer, sondern auch deutlich schlechter als die Frauen der Kontrollgruppe (die den Witz nicht gehört hatten). Der Witz transportiert das Vorurteil und damit auch die Erwartung, dass Frauen dumm sind. Und da wir Menschen dazu tendieren, Erwartungen zu entsprechen, passen wir uns unbewusst diesen an. Das macht Beweise über typische Verhaltensweisen sehr schwierig. Schon die These beeinflusst das Ergebnis.

Wer jetzt glaubt, man müsse einfach nur die Erwartung ändern, hat leider auch nicht die Lösung gefunden. So erwarten heutzutage die meisten Menschen, dass Frauen im Job genauso erfolgreich sind wie Männer. Das Selbstbewusstsein von Frauen hat sich aber nur da gebessert, wo sich diese Erwartung hat umsetzen lassen. Tatsächlich ruiniert diese Erwartung vielen Frauen das Selbstbewusstsein, weil „genauso erfolgreich sein“ entweder an den Karrieremöglichkeiten oder an der Doppelbelastung von Familie und Arbeit scheitert. Positive Erwartungen wirken aufbauend, wenn sie machbar sind.

Peinlichkeit und Scham sind Anzeichen, dass Erwartungen an uns ziehen und zerren. Will ich den Satz: „Ich muss die Erwartungen aller Teilnehmer erfüllen“ ändern in „Ich mache es so gut, wie ich kann!“, dann ändere ich nur meinen Teil der Erwartung. Das ist übrigens der einzige Teil, den ich ändern kann. Gelingt mir dies, dann stehe ich mit dieser neuen Haltung unter Umständen alleine da. Sehr wahrscheinlich begegne ich dann Kollegen oder Teilnehmern, die mich darauf hinweisen, dass das Erfüllen der Erwartung doch meine Aufgabe sei. Das heißt, die eigene Unsicherheit erhöht sich wieder und der positive Effekt auf das Selbstbewusstsein bleibt erst mal aus.

So müssen wir beim Umgang mit Erwartungen gleich zwei Dinge gleichzeitig lernen: 1. unsere Erwartung zu ändern und 2. genug Selbstbewusstsein zu entwickeln, um die neue Haltung alleine durchzuhalten.

Stecke ich in Selbstvorwürfen fest, weil ich unrealisierbare Erwartungen nicht erfüllen kann, hilft es mir, mich zu fragen: „Welches der folgenden Bedürfnisse fehlt mir gerade?“ „Liebe, Dazugehören, Wertschätzung oder (berufliches) Weiterkommen“. Im meinem Fall wäre es Wertschätzung. Dann überlege ich, wann ich in einer ähnlichen Situation schon Wertschätzung erhalten habe. Hier fällt mir ein Teilnehmer ein, der mir schrieb, wie sehr ihn der Workshop berührt hat und welche Übungen ihn besonders begeistert haben. Die Erinnerung daran nimmt der verloren geglaubten Wertschätzung die Schärfe.

Eine Freundin erzählte mir neulich, dass sie fast schon enttäuscht darüber sei, dass ihr Chef sie jetzt mehr schätze als früher. Was war passiert? Sie hat die Erwartung an sich aufgegeben, Aufträge immer fristgerecht abschließen zu müssen. Sowohl ihre Enttäuschung, als auch die Meinungsänderung des Chefs mögen erstaunen. Doch wenn wir bedenken, wie schwer es ist, etwas gegen die Erwartung von anderen zu tun, dann erklärt sich die Wertschätzung für Menschen, die unabhängig von gesellschaftlichen Erwartungen ihren Weg gehen.

Ich wäre neugierig von deinen Erfolgen zu hören, mit Erwartungen umzugehen.

Lese mehr dazu im nächsten Blog.


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Die Stellschrauben am Selbstvertrauen – Teil 1

Ich habe mir in meinem Leben viel Gedanken zum Thema Selbstvertrauen gemacht. Vermutlich weil ich von großem Lampenfieber geplagt bin und es gleichzeitig nicht lassen kann, mir immer wieder meine „Bühnen“ zu suchen. Aus dem Wunsch heraus, etwas entspannter mit diesen Situationen umzugehen, habe ich nach Stellschrauben gesucht, an denen ich drehen kann, um mein Selbstvertrauen zu steigern. Und folgende Schräubchen habe ich gefunden: Können, Erfahrung, Erwartung und Vertrauen.

Fangen wir bei dem an, was sich am leichtesten beeinflussen lässt: „Können“

Wichtig ist dabei zu wissen, dass wir nicht nur fachliche Kompetenzen erwerben können, sondern auch soziale. Nach jahrelangem Studium der Gewaltfreien Kommunikation weiß ich, Empathie lässt sich lernen und damit üben, Selbstwahrnehmung lässt sich lernen und üben und vieles mehr. Voraussetzung dazu ist, dass man den Weg dorthin in kleine Lernschritte aufteilt und diese wiederholt, bis sie selbstverständlich geworden sind. Denn genau das bedeutet üben. Doch was uns scheitern lässt, sind oft zu groß gewählte Ziele. Wenn man ein Instrument lernt, dann kann so ein zu großes Ziel ein Auftritt sein.

Meine Gesanglehrerin meinte einmal, bei einem Musikauftritt bringt man ungefähr 80% seiner Leistung. Das heißt, im Proberaum muss man 20% besser sein, als das, was man vor Zuschauern zeigen will. Die meisten Laien-Redner, -Musiker oder -Schauspieler begehen jedoch den Fehler, dass sie das Beste, was sie können, zeigen wollen. Und oft können sie das noch nicht lange. Die Unsicherheit bei ganz frisch erworbener Kompetenz (die Profis noch nicht als solche bezeichnen würden) wird durch mangelnde Erfahrung verstärkt. Kommt dann noch die übliche Nervosität dazu, ist das Scheitern vorprogrammiert. Wer also meint, sein Selbstvertrauen reiche für einen Auftritt nicht, kann sich entweder besser vorbereiten, ein leichteres Stück oder ein wohlwollendes Publikum wählen.

Das wird all die Menschen enttäuschen, die glauben, dass etwas, was mit viel Leichtigkeit auf der Bühne dargestellt wird, auch mit Leichtigkeit erworben wurde, was nicht stimmt. Ein Flamencogitarrist wurde nach einem Konzert von einer begeisterten Frau mit folgenden Worten angesprochen:

„Ich würde alles dafür geben, um so gut spielen zu können wie Sie!“

Da fragte er: „Was ist denn „alles“?“

„Sagen wir, mein halbes Leben!“

Darauf antwortete er nachdenklich: „Ja, das ist in ungefähr auch das, was ich dafür bezahlt habe. Warum haben Sie nicht so lange geübt?“

Nun, den meisten ist bewusst, dass mehr Können mehr Aufwand bedeutet. Und jeder kann entscheiden, wieviel Aufwand er betreiben möchte und ob es das wert ist. Nur wenn man an der eigenen „Erfolglosigkeit“ leidet, dann nutzt es nichts, es auf mangelndes Selbstwertgefühl zu schieben, wenn es am Einsatz liegt.

Doch es gibt auch die Menschen, die täglich viele Stunden lang Gitarre üben und nie vor Publikum spielen, oder die, die eine Weiterbildung nach der anderen besuchen und trotzdem den Schritt in die Selbstständigkeit nicht wagen. Die brauchen nicht mehr Kompetenz, sondern mehr Erfahrung.

Lese dazu mehr im nächsten Blog!